Handballerin Aimée von Pereira: Einsatz, Timing und Frechheit
Beim 29:26-Sieg gegen die Däninnen zeigte sich Aimée von Pereira als Kandidatin für den WM-Kader. Dabei war sie jahrelang vom Radar der Scouts verwunden.

„Ich freue mich einfach, dabei zu sein“, sagt Aimée von Pereira, die im elbnahen Kreis Steinburg beim MTV Herzhorn das Handballspielen lernte – und nach Jahren in den DHB-Nachwuchsteams plötzlich vom Radar verschwand. „Das liegt wohl daran, dass ich im Ausland war“, sagt sie charmant, wohl wissend, dass man bei der Frauen-Nationalmannschaft zu lange auf das immergleiche Personal gesetzt hat.
Ihren Spitznamen hat Aimée von Pereira inzwischen weg: „Die Kriegerin“. Mit diesem Attribut hat Bundestrainer Markus Gaugisch die 25 Jahre alte Abwehrspielerin geadelt. Schon nach vier Länderspielen hat sie den Eindruck erweckt, der deutschen Handball-Nationalmannschaft nachdrücklich helfen zu können, spielt sie doch mit der nötigen Härte. Wie es sich im Abwehrzentrum inzwischen auch bei den Frauen international längst gehört.
Ein halbes Jahr vor der Heim-WM ist es dabei eine erfreuliche Erkenntnis, dass nach zuvor drei knappen Niederlagen gegen die Weltspitze nun endlich der ersehnte Sieg folgte: Am Samstag im grenznahen Apenrade gewann die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) bei den favorisierten Däninnen 29:26; das „Hinspiel“ in Hamburg hatte sie noch 31:33 verloren.
In beiden Partien unterstrich Aimée von Pereira, dass sie als Fast-Debütantin eine wichtige Rolle hinsichtlich der erhofften WM-Medaille spielen könnte. Als sei sie nie woanders gewesen, interpretiert sie die Rolle im Innenblock neben Xenia Smits – mit Einsatz, Timing und Frechheit – weitgehend angstfrei.
Internationale Erfahrung
Kopenhagen, Nizza, Nyköbing heißen ihre Stationen seit 2019, also Orte in Scouting-Reichweite. Gaugisch hat sie erst jetzt „entdeckt“ und schwärmt inzwischen von ihren Qualitäten nach innen und außen, als wäre sie schon jahrelang dabei. Aimée von Pereira selbst glaubte hingegen an einen Spam-Anruf, als sie eine unbekannte Nummer auf dem Handy sah – ging dann aber doch ran, und wurde zum Lehrgang im März mit den Länderspielen gegen Frankreich eingeladen. Da staunte die Fachwelt, wie selbstverständlich sie voranging, die Defensive organisierte und auch im Angriff solide spielte.
Aimée von Pereiras Mutter stammt aus Ghana, wo Englisch gesprochen wird, sie aber das Französische sehr mochte. Daher der Vorname. Ihr Vater hat portugiesische Wurzeln, daher der Nachname: „Die liegen aber 300 Jahre zurück“, sagt das schleswig-holsteinische Gewächs lachend.
Handballerisch groß geworden ist sie wie manch andere in der Talentschmiede des Buxtehuder SV. „Dann wollte ich aus meiner Komfortzone und etwas anderes probieren“, sagt sie, „das hat mir als Charakter und Spielerin sehr gut getan.“ Französisch spricht sie, und nun auch fast perfekt Dänisch. Wohnhaft im 90 Autominuten entfernten Kopenhagen wie alle Nyköbing-Profis, genießt sie die Annehmlichkeiten der skandinavischen Metropole, stöhnt über die Mietpreise dort, lobt hingegen das Familiäre beim Tabellenvierten der dänischen Liga.
Schweigsamer wird Aimée von Pereira, was ihre Zukunft beim DHB angeht. Basierend auf den letzten Eindrücken ist sie eine klare Kandidatin für den WM-Kader, doch womöglich sind es auch die Erfahrungen der Vergangenheit, die sie sagen lassen: „Ich versuche einfach, beim nächsten Lehrgang wieder dabei zu sein.“ Gaugisch indes wird einen Kaderplatz für sie freihalten, können seinem ruhigen und führungsschwachen Team Anführerinnen wie Aimée von Pereira doch nur gut tun.
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